Eine neue Analyse des Belle II-Experiments präsentiert die erste Suche nach einem dunklen Higgs-Boson, das in Verbindung mit inelastischer dunkler Materie (iDM) erzeugt wird. Die Studie zielt auf einen bisher unerforschten Bereich der Physik des dunklen Sektors, in dem ein langlebiges dunkles Higgs-Boson zusammen mit einem dunklen Photon erzeugt wird. Das dunkle Photon zerfällt in ein Paar zweier unterschiedlicher Teilchen dunkler Materie mit einer geringen Massendifferenz, von denen eines anschließend wieder in Standardmodellteilchen zerfällt. Dies führt zu einer unverwechselbaren Signatur von zwei versetzten Vertizes und fehlender Energie. Diese Analyse ist durch theoretische Modelle motiviert, die minimale dunkle Sektorszenarien erweitern. Die sich daraus ergebende Phänomenologie umfasst langlebige Teilchen mit unterschiedlichen Lebensdauern, nicht-resonante Zerfälle und mehrere freie Parameter, was diese Analyse besonders anspruchsvoll macht.
Die Arbeit wurde vollständig von einem Team am Institut für Experimentelle Teilchenphysik (ETP) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) unter der Leitung des Doktoranden Patrick Ecker durchgeführt, der jetzt als Postdoktorand am ETP arbeitet. Unter Verwendung von Belle-II-Daten, die einer integrierten Luminosität von 365 fb-1 entsprechen, durchsuchte das Team einen weiten Bereich von Parametern, wobei es sich auf Endzustände mit Myon-, Pion- oder Kaon-Paaren und mindestens einem versetzten Vertex mit fehlender Energie konzentrierte. Es wurde kein signifikanter Überschuss über den Standardmodell-Hintergrund beobachtet, und die Analyse setzt weltweit führende obere Grenzen für den Wirkungsquerschnitt von dunklen Higgs + iDM-Ereignissen. Diese Ausschlussgrenzen werden dann anhand von Modellparametern wie dem Higgs-Mischwinkel und der dimensionslosen Kopplung an dunkle Photonen interpretiert. Für viele Konfigurationen verbessern die neuen Grenzwerte die bestehenden Beschränkungen deutlich um bis zu zwei Größenordnungen.
„Eine der Herausforderungen bestand darin, die Auswirkungen der verschobenen Zerfälle auf die Teilchenidentifizierung zu berücksichtigen“, erklärt Dr. Ecker. "Der Time-of-Propagation-Detektor (TOP), die fortschrittlichste Technologie von Belle II zur Identifizierung verschiedener Hadronen wie Pionen und Kaonen, geht davon aus, dass die Teilchen aus dem Wechselwirkungspunkt stammen, was in unserem Fall jedoch nicht der Fall ist. Diese Diskrepanz verschiebt das Timing um einige zehn Pikosekunden und kann zu einer Fehlidentifizierung durch den sehr präzisen TOP führen, insbesondere bei langlebigen Teilchen."
Um die mehreren tausend verschiedenen Kombinationen von Lebensdauern und Massen abzudecken, die das Modell zulässt, musste das Team eine sehr große Anzahl von Signalsimulationen erstellen. Diese rechenintensive Aufgabe wurde mit Hilfe von Hochleistungsrechnern des Landes Baden-Württemberg, insbesondere des „Forschungsclusters für Neurowissenschaften, Elementarteilchenphysik, Mikrosystemtechnik und Materialwissenschaften (NEMO)“ in Freiburg durchgeführt.
Der Artikel wurde bei Physical Review Letters eingereicht. Ein Vorabdruck ist verfügbar.
Kontakt: Prof. Torben Ferber